Applikationssysteme in der Pulverbeschichtung

Applikationssysteme in der Pulverbeschichtung -
Bekannte Pulverbeschichtungssysteme

Damit der Pulverlack auf dem Werkstück haften kann, werden verschiedene Aufladesysteme eingesetzt. Die bekanntesten Aufladungsarten in der Pulverbeschichtung sind:

  • C/Korona-Aufladung (Elektrostatisch oder Ionisation) (Hochspannung)
  • Tribo-Aufladung (Triboelektrisch oder elektrokinetisch) (Reibung)

Wann welches System am besten genutzt werden sollte, hängt von der Anwendung und den Anforderungen des Anwenders an die Beschichtung ab.


  1. Korona-Aufladung

Bei der Ionisationsaufladung oder Korona-Aufladung versteht man technisch, das Austreten von freien Elektronen aus einem elektrischen Leiter. Bei der Pulverbeschichtung wird die elektrische Spannung über die Hochspannungs- (HS) Kaskade, die in der Pulverpistole verbaut ist, erzeugt. Die Spannung (30 bis 100 kV und max. 100 µA) wird über die Nadelelektrode, die sich am Auslass der Pistole befindet, am vorbeiströmenden Pulverluft-Gemisch abgegeben, wodurch die Pulverlackpartikel umgebende Luft ionisiert wird. Damit das Pulver optimal und konstant aufgeladen werden kann, wird die Nadelelektrode von einem kleinen Luftstrom gespült. Ohne diese Luftspülung würde das Pulver an der Elektrode ansintern („kleben bleiben“) und der Elektronenfluss deutlich gestört werden.

 

Abbildung 1 - Schematische Darstellung einer Korona-Pistole

Beim Austritt der Pistole entsteht eine Pulverwolke und die ionisierte Luft (in Form von Elektronen) lagert sich an die Pulverpartikeloberfläche. Von den freien Elektronen treffen 1 – 3 % auf Pulverteilchen, der Rest ionisiert in der Umgebungsluft oder bleibt frei, zusammen auch als Raumladung bezeichnet. Die ionisierten Pulverteilchen werden wie die freien, ionisierten Luftteilchen von allen geerdeten Objekten angezogen. In der Praxis ist das Werkstück das erste geerdete Teil auf das die Pulverteilchen treffen und sie bleiben an diesem haften, es entsteht eine Gegenladung. Da das Pulver elektrisch nichtleitend ist, kann die Ladung nicht abfließen und die Anziehungskraft bleibt bis zum Einbrennvorgang bestehen. Der abfließende Strom vom geerdeten Werkstück besteht aus den auftreffenden freien Elektronen, aus „Luftionen“ und aus der Influenzladung der Gegenladung. Die Influenzladung (Rücksprüheffekte), die neu ankommendes Pulver verschieden anzieht bzw. abstößt, verursacht eine unregelmäßige Pulververteilung und Orangenhaut (siehe Ionenarme Aufladung).

Ebenfalls hat die Luftgeschwindigkeit einen großen Einfluss auf die Beschichtungsqualität. Die Luft dient hauptsächlich für den Transport des Pulvers vom Pulvergebinde zur Pistole, über das Mundstück zum Objekt. Hohe Luftgeschwindigkeiten können helfen die Eindringtiefe zu erhöhen, jedoch wird dadurch auch die Tendenz zum Abblasen verstärkt. Daher ist die Kombination der richtigen Aufladung mit der passenden Luftgeschwindigkeit für ein optimales Ergebnis entscheidend.


Ionenarme Aufladung

Durch nachrüstbare Aufsätze, wie geerdete Metallringe oder Metallspitzen am Beschichtungsgerät, wird die Anzahl der freien Elektronen (Raumladung), die zum Werkstück gelangen, reduziert. Bei einer herkömmlichen elektrostatischen Beschichtung ist es nicht immer möglich eine hohe Oberflächengüte zu erzielen, wenn Vertiefungen zu decken sind und die vorderen Kanten gleichzeitig glatt sein müssen. Im schlimmsten Fall können schon bei geringen Schichtstärken 60 – 70 µm Orangenhaut (unruhige Oberfläche) entstehen, dies resultiert aus einem Überschuss an freien Elektronen, die sich durch zu dicke Pulverschichten nicht mehr über das Werkstück entladen können. Der Einsatz ist nicht nur bei komplizierteren Werkstück-Geometrien zu empfehlen, sondern auch für Strukturpulverlacke, bei denen durch den Einsatz dieser Aufsätze eine wesentlich gleichmäßigere Oberflächenstruktur entsteht. Bei den bekannten Herstellern heißen die Aufsätze beispielsweise „SuperCorona“ oder „CoronaStar“, die auf die Beschichtungspistole gesteckt werden, um die Qualität der Beschichtung zu erhöhen.


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  1. Tribo-Aufladung

Bei dem Tribo-Verfahren erfolgt die Aufladung der Pulverlacke über die Reibung im Pulverrohr, es findet keine Hochspannungsversorgung statt. Daher ist das Pulverrohr einer Tribo-Pistole beispielsweise länger, innen meist mit Teflon beschichtet und ringspalt- oder spiralartig angelegt, um die Berührungsfläche möglichst zu vergrößern. Die Pulverteilchen werden durch das spiralartige Pulverrohr geleitet und geben dabei Elektronen an die Oberfläche des Innenrohrs ab. Die überschüssigen Elektronen werden vom Metall-Außenrohr aufgenommen und über das Einlaufstück und Pistolenkabel abgeleitet. Durch den „Verlust“ von Elektronen tritt das Pulver positiv geladen aus der Pistole aus. Zur Kontrolle und Messung der Aufladung des Pulvers wird der Ableitstrom dem Steuergerät zugeführt und dort gemessen. Grundsätzlich entsteht hierdurch eine geringere Anzahl von freien Elektronen oder „Luftionen“ in der Pulverwolke. Im Vergleich zur Korona-Aufladung ist also die Raumladung deutlich reduziert, was der Tribo-Aufladung einen prinzipiellen Vorteil hinsichtlich der Oberflächengüte verschafft.

Abbildung 2 – Schematische Darstellung einer Tribo-Pistole

Das Verfahren der Tribo-Pistole benötigt eine höhere Luftgeschwindigkeit, damit sich im Innenrohr mehr Turbulenzen bilden. Dadurch wird die Anzahl der Kontakte zwischen Pulverpartikeln erhöht und eine höhere Ladung entsteht. Die Geschwindigkeit der Förderluft (vom Gebinde über die Pistole zum Austritt) ist meist nicht ausreichend, um die geforderte Ladung auf das Pulver zu erzeugen, deshalb wird die Durchtrittsgeschwindigkeit des Pulvers mit einer Zusatzluft erhöht. Hierdurch ergibt sich eine erschwerte Regulierung der gewünschten Ladung auf das Pulver, was die Flexibilität verringert und die Komplexität der Bedienung erhöht.


Quellenverzeichnis

Text: Judith Pietschmann (2013). Industrielle Pulverbeschichtung: Grundlagen, Verfahren, Praxiseinsatz. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Verlag. S. 61-67.

Foto: Pulverbeschichten (2021): Wikipedia. Permanente URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Pulverbeschichten. Zugriffsdatum: 30.1.2022.

Grafiken: Eigene Darstellung.


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